Die Familien-Chronik


Der Ursprung - Bessingen Nr. 8
Die Entstehung des Namens "Tiekenheinrich"
Die Namensgeberin
Christian Dieckenhenrich
Eidinghausen Nr. 24
Auswanderer
Danksagungen

Quellen


Der Ursprung - Bessingen Nr. 8

Die Wiege der Tiekenheinrichs steht in Ostwestfalen, genauer gesagt, in der kleinen Bauerschaft Bessingen. Die Bauerschaft Bessingen gehörte nach dem Grenzvertrag von 1541/42 zur Grafschaft Ravensberg und bestand (1556) aus 13 Höfen. Die Ravensberger Landesherren hatten in den Jahren 1550 bis 1556 alle bestehenden Hofstätten ihrer Grafschaft schriftlich erfasst. Diese erste Katastererhebung von Ravensberg ist in dem Urbar von 1556 erhalten geblieben und gibt Aufschluss über die Anzahl der damaligen Höfe, ihre Größe und deren Besitzer. Es enthält den Eintrag

Henrich zu Bessingkhusen, halbspenniger

130 Jahre später erfolgte eine erneute Katastererhebung. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war das Gebiet durch den Westfälischen Frieden zu Münster 1648 an die Kurfürsten von Brandenburg gefallen. Im Kataster von 1685 wurden die Bauerschaften Niederbecksen, Bessingen und Reelsen zur Bauerschaft Niederbecksen mit insgesamt 77 Höfen zusammengefasst. Jeder Hof bekam eine Registriernummer, überwiegend nach der Größe des Hofes. Dabei erhielten die grossen Höfe die niedrigen Nummern. Diese Registriernummern sind später zu Hausnummern geworden und galten in Niederbecksen bis 1926. Der oben erwähnte Hof bekam die Nummer 8, der Eintrag lautet jetzt:

Henrich zu Beßinghausen, Halbspänner, 103 Scheffel

Ein "Halbspänner" hatte dem Grundherren mit halbem Gespann (zwei Pferde) zu dienen. "103 Scheffel" ist die zu leistende Abgabe (Kontribution). Ein Scheffel fasste ca. 20 Kilo Getreide.
Der nächste Eintrag in die Kontributionsliste fand 1717 statt:

Henrich ietzo Anthon zu Beßingen, königl. eigenbeh. Halbspänner, 105 Scheffel

"ietzo" bedeutet soviel wie "jetzt" oder "eigentlich", an anderer Stelle (siehe unten) finden wir den Namen Anthon Henrich zu Bessingen. Eigenbehörige (eigenbeh.) waren unfreie Bauern, die in persönlicher Abhängigkeit an ihren Herrn Abgaben leisten mussten. Sie hatten ein gesichertes Erbrecht an ihrem Besitz, der ihnen gegen mäßige Nutzungsabgaben zur Bewirtschaftung überlassen wurde.
1830 gehören zum Hof 84 Morgen (= 21 ha) Land, der Hof besteht 1863 aus 5 Gebäuden.
1867 werden Haus und Hof, sowie der größte Teil der Ländereien verkauft. Der Besitz wird aufgeteilt und an ca. 15 Neuerwerber veräußert.
1926 kommt der Hof zur Stadt Bad Oeynhausen. In den Jahren 1969/70 werden die Hofgebäude abgerissen. Sie standen am Ende der nordöstlichen Tilsiter Straße (Sackgasse).


Die Entstehung des Namens "Tiekenheinrich"

Man muss davon ausgehen, dass zur damaligen Zeit die meisten Menschen Analphabeten waren. Eine allgemeine Schulpflicht gibt es in Deutschland erst seit 1919. Davor waren es meist nur Mönche und Pastoren, später auch Staatsbeamte, die lesen und schreiben konnten. Taufen, Trauungen und Beerdigungen wurden nach dem Dreißigjährigen Krieg in Kirchenbüchern festgehalten. Der Pastor schrieb die Namen dabei so auf, wie er sie verstand (man spricht ein regional gefärbtes Plattdeutsch). Eine einheitliche Schreibweise der Namen war somit nicht gegeben. Noch heute ist erkennbar, dass die Kirchenbücher von den verschiedenen Pfarrern unterschiedlich sorgsam geführt wurden. Selbst übereinstimmende Vornamen in Tauf-, Trau- und Sterberegister kann man bei der Recherche nicht zwingend voraussetzen. Standesämter gibt es ohnehin erst seit 1874.
Bei der Namensgebung war es zudem üblich, dass der älteste Sohn den gleichen Vornamen bekam wie der Vater, weitere Söhne den Vornamen des Grossvaters oder eines Patenonkels. Bei den Töchtern war es entsprechend. Das erschwert nicht nur die Ahnenforschung heute, sondern sorgte bereits damals für Verwechslungen. Um die betreffende Person eindeutig zu charakterisieren, fügte man oftmals dem Namen eine ergänzende Beschreibung hinzu. Als Ergänzung diente dabei oft der Wohnort oder der Beruf. Diese Ergänzungen sind glücklicherweise auch oft in die Kirchenbücher mit aufgenommen worden und wurden schließlich ein Teil des Namens. Der Name "Henrich zu Bessingen" bzw. "Henrich zu Beßinghausen" war vermutlich auch solchen Ursprungs.
Margretha Elisabeth Henrich zu Bessingen war eine Tochter des oben erwähnten Anthon Henrich zu Bessingen. Zur weiteren Charakterisierung finden wir später auch den Zusatz "Tochter vom diecken Henrich". Damit war der Name geboren, der sich später noch über verschiedene Schreibweisen zum heutigen "Tiekenheinrich" entwickeln sollte. Das dieser Name von einer Frau weitergeben wurde, war für die damalige Zeit durchaus nicht ungewöhnlich. Im allgemeinen war es nämlich so, dass der Name des Hofes erhalten blieb. Da dieser vorrangig an den ältesten Sohn vererbt wurde, kann man den Eindruck gewinnen, dass die Männer den gemeinsamen Familiennamen vorgaben. Aber dieses ist, wie man noch sehen wird, nicht immer so gewesen.


Die Namensgeberin

Leider habe ich bislang noch kein Dokument über die Geburt, bzw. Taufe von Margretha Elisabeth Henrich zu Bessingen gefunden, obwohl ich den Zeitraum (vermutlich November 1751) einigermaßen gut eingrenzen kann. Allerdings findet man im Trauregister der evangelischen Kirche zu Rehme einen Eintrag vom 14.08.1772 mit den Eheleuten:

Johan Ernst Hoberg, gegenwärtig Colon zu Bessingen, weil. Johan Wilhelm Schäfer, gen. Hoberg Sohn
Margretha Elisabeth Henrich zu Bessingen, Anthon Henrich daselbst Tochter

"weil. Johan Wilhelm Schäfer, gen. Hoberg Sohn" bedeutet hier soviel wie "Sohn des verstorbenen Johan Wilhelm Schäfer, genannt Hoberg" oder (etwas freier übersetzt) "Sohn des verstorbenen Johan Wilhelm Hoberg, geb. Schäfer". Da der Vater also eine Witwe Hoberg geheiratet hatte und auf deren Hof zog, musste er auch den Namen Hoberg (in manchen Schreibweisen auch Hauberg) annehmen (siehe oben).
Beide Eheleute sind auch als erste Eigentümer des Hauses Nr. 8 in das Grundbuch der Bauernschaft Niederbecksen (Band 1, Blatt 62) eingetragen. Sie haben zusammen 10 Kinder, von denen aber nur sechs (2 Söhne und 4 Töchter) das Erwachsenenalter erreichen.
Die Geburten der Kinder sind im Taufregister der evangelischen Kirche in Rehme protokolliert. Der Familienname wandelt sich in dieser Zeit von "Hauberg, gen. Henrich zu Bessingen" (1773) über verschiedene Zwischenformen zu "Dieckenhenrich" (1781).

Der Colon Johan Ernst Diecken Henrich, Bessingen Nr. 8 stirbt am Neujahrstag des Jahres 1798 im Alter von 50 Jahren "an hitzig Fieber".

Anne Marie Grete Elisabeth Hoberg, gen. Tieckenhenrich, Witwe, NB, Bessingen Nr. 8 stirbt am 23.02.1810 im Alter von 58 Jahren und wird fünf Tage später beerdigt. ("NB" ist hier die Abkürzung für Niederbecksen).
Den Hof erbt ihr Sohn Christian Henrich Dieckenhenrich.


Christian Dieckenhenrich

Christian Henrich Dieckenhenrich wird am 27.10.1775 als zweites von 10 Kindern geboren. Er heiratet am 14.08.1799 die 3 Jahre jüngere Anna Maria Elisabeth Tügel von Königshagen (Lohe). Nach dem Tod seines älteren Bruders Johan in Jahre 1805 wird er zum Erben des Hofes Bessingen Nr. 8. Gemeinsam haben sie 12 Kinder, von denen noch 7 minderjährig sind, als beide Eheleute in Januar 1826 innerhalb von nur 10 Tagen sterben.


Eidinghausen Nr. 24

(Dieses Kapitel entsteht hier in Kürze.)


Auswanderer

In den Jahren 1810 bis 1850 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung im unteren Werretal kontinuierlich. Hierfür sind im Wesentlichen drei Gründe zu nennen:

  • Reformen in der Landwirtschaft führten zu einer immer höheren Verschuldung der Höfe.
  • Maschinell gefertigte Baumwolle löste zunehmend das handgesponnene Flachsgarn ab und läutete somit den Niedergang des Leinengewerbes ein.
  • Aufeinander folgende Missernten in den Jahren 1845 bis 1848 führten zu einer außergewöhnlichen Ernährungskrise.
Die Folge war eine katastrophale Massenarmut und so entschlossen sich viele Menschen zur Auswanderung. Gemessen an der Bevölkerungszahl von 1843 ist etwa jeder zehnte Einwohner in der Zeit von 1835 bis 1860 in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Mehr als 75% der Auswanderer waren jünger als 30 Jahre. Das Hauptziel der Auswanderer aus dem unteren Werretal war die Gegend um St. Louis. War es anfangs hauptsächlich die wirtschaftliche Not, die die Menschen zur Ausreise bewegte, so kamen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch immer stärker die Zugkräfte aus Amerika hinzu.

Die Geschichte der Auswanderer aus unserer Familie beginnt in Melbergen, welches heute zu Gohfeld (Löhne) gehört. Dort bewirtschaftete Hermann Heinrich Broer den Hof Melbergen Nr. 10. Für die weitere Geschichte interessant sind vier seiner Kinder:
Engel Broer, geboren am 09.03.1843
Hermann Broer, geboren am 01.11.1845
Heinrich Broer, geboren am 31.03.1847
Ludwig Broer, geboren am 22.08.1863

Engel Broer heiratet am 17.02.1867 Carl Tiekenheinrich (* 26.05.1842) aus Niederbecksen, einen Enkel von Christian Dieckenhenrich. Gemeinsam bewirtschaften sie den Hof Niederbecksen Nr. 4 (ebenfalls Bessingen, benachbart zu Nr.8). Von ihren Kindern seien hier erwähnt:
Ludwig Tiekenheinrich, geboren am 22.04.1869 und
Friederike Tiekenheinrich, geboren am 13.03.1885.

Hermann Broer beantragt 1865 die Auswanderung, verläßt tatsächlich aber erst vier Jahre später die Heimat. Er erreicht am 23.09.1869 New York und geht von dort nach Michigan. Dort heiratet er 4 Jahre später eine Emigrantin (Marie, später Mary) aus Mecklenburg. 12 Jahre später folgen Heinrich Broer und Ludwig Broer ihrem Bruder nach Michigan, ihr Schiff erreicht New York am 04.03.1881. Mit ihnen reist Louisa Buschmeyer. Heinrich Broer und Louisa Buschmeyer heiraten noch in New York. Kurz darauf trennen sich aber die Wege der Brüder. Während Hermann Broer im Jahre 1882 oder 1883 nach Cleveland, Ohio umzieht, gehen Heinrich und Ludwig Broer nach Iowa. Dort heiratet Ludwig um 1891 seine Frau Emilie (auch Amelia), deren Eltern ebenfalls aus Deutschland stammen. Sie kaufen eine Farm nahe Hubbard, die sie gemeinsam bewirtschaften. Heinrich (der sich nun Henry nennt) zieht weiter nach Nebraska, kehrt aber einige Jahre später nach Iowa zurück. Hermann und Marie Broer haben 8 Kinder, Heinrich und Louisa Broer haben 6 Kinder und Ludwig und Amelia Broer ebenfalls sechs.

Im Jahre 1900 folgt die 15-jährige Friederike Tiekenheinrich ihrem Onkel Hermann nach Cleveland Ohio. Im gleichen Jahr zieht auch der 12-jähriger Wilhelm Broer zu seinem Onkel Ludwig nach Hubbard. Friederike Tiekenheinrich besucht im Jahre 1911 noch einmal ihre Heimat, bei der Rückreise in die USA gibt sie als Beruf "Kinderkrankenschwester" an. Danach verliert sich leider die Spur von Friederike Tiekenheinrich. Möglicherweise hat sie geheiratet und dadurch ihren Namen geändert.

Ludwig Tiekenheinrich und seine Frau Louise Schormann bleiben in Rehme und haben zusammen 6 Kinder, von denen die vier jüngsten jedoch schließlich auch nach Amerika auswandern:
Martha Tiekenheinrich ist 23 Jahre alt, als sie im Jahre 1924 zu ihrem Onkel Ludwig nach Hubbard, Iowa übersiedelt.
Carl Tiekenheinrich ist 18 Jahre alt, als er im März des Jahre 1925 seiner Schwester folgt.
Frieda Tiekenheinrich (23 Jahre) und Wilhelm Tiekenheinrich (17 Jahre) reisen gemeinsam im Februar des Jahres 1926 nach Hubbard.
Ausschlaggebend für diese beiden letzten Auswanderungen war vermutlich der Heimatbesuch von Ludwig Broer, seiner Frau Emilie und seinem Neffen Wilhelm (mit Ehefrau Martha) im Herbst des Jahre 1925. Ludwig Broer finanziert auch alle vier Ausreisen.
Ludwig Tiekenheinrich stirbt am 24.10.1938 während er seine vier Kinder noch einmal in Hubbard besucht. Er möchte gerne in Deutschland neben seiner Frau begraben werden, doch die Familie kann das Geld für die Überführung nicht aufbringen.


Danksagungen

Ich möchte an dieser Stelle Herrn Bernd Tiekenheinrich danken für seinen Hinweis auf das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven. Er legte mit seinem Fund einiger Tiekenheinrichs in den Passiergierlisten ab 1920 den Grundstein für das Kapitel über unsere Auswanderer.

Mein ganz besonderer Dank gilt Frau Becky Freeman für ihre Unterstützung und ihre unermüdliche Internet-Recherche in den Datenbanken, die für Nicht-Amerikanern kaum zugänglich sind. Sie hat durch ihr Studium der Passierlisten in New York und vieler Volkszählungsdaten erheblich dazu beigetragen, den Weg der Einwanderer in Amerika nachzuzeichnen.



Quellen

Huneke, Andreas / Quaschny, Rico: "Rehme, 1250 Jahre Orts- und Heimatgeschichte eines Minden-Ravensberger Dorfes"

Kirchenbücher der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Rehme

Kirchenbücher der evangelisch Kirchengemeinde Eidinghausen

Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen
Sonderheft 4: "Amerikaauswanderer aus dem unteren Werretal"

Die Maus - Gesellschaft für Familienforschung Bremen e. V.


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